Pressefoto, Bewerbungsfoto oder LinkedIn Profilfoto.Wieviel Retusche ist sinnvoll?

In einer Zeit, in der Bilder einen enormen Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung haben, stellt sich die Frage: Wie viel Retusche ist bei einem Pressefoto angemessen? Ist es überhaupt sinnvoll, journalistische Bilder zu bearbeiten? Und beeinflusst Retusche möglicherweise die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bild veröffentlicht wird?

Ann diesem Portrait ist nichts retuschiert. Joachim Gauck 2009.

Der Anspruch an Pressefotografie

Pressefotografie sollte in erster Linie authentisch sein. Der journalistische Ethos verlangt, dass Bilder die Realität so objektiv wie möglich abbilden. Dies bedeutet nicht, dass keinerlei Bearbeitung erlaubt ist – kleinere Korrekturen wie das Anpassen von Helligkeit, Kontrast oder Weißabgleich sind akzeptiert, um die Bildqualität zu verbessern. Doch sobald eine Retusche die Realität verändert, wird es problematisch.

Retusche und Glaubwürdigkeit

Eine übermäßige Retusche kann die Glaubwürdigkeit eines Bildes und damit auch die des Mediums beschädigen. Die Manipulation von Bildinhalten, wie das Entfernen oder Hinzufügen von Objekten oder Personen, ist in der Pressefotografie strikt tabu. Selbst eine subtile Veränderung, etwa das Glätten von Haut oder das Aufhellen von Augenringen, kann als Eingriff in die Authentizität des Bildes gewertet werden.

Hat Retusche Einfluss auf die Veröffentlichungschancen?

Ja, das kann sie haben – allerdings nicht immer im positiven Sinne. Während stark bearbeitete oder übermäßig geschönte Bilder in der Mode- oder Werbefotografie gefragt sind, erwarten Redaktionen in der Nachrichtenbranche möglichst unverfälschte Darstellungen. Einige Redaktionen lehnen Fotos ab, wenn sie den Verdacht haben, dass zu stark eingegriffen wurde. In Boulevardmedien oder Hochglanzmagazinen kann eine sanfte Retusche hingegen die Chancen auf eine Veröffentlichung durchaus erhöhen.

Unterschiedliche Maßstäbe für Männer und Frauen?

Leider ja. Studien und Erfahrungsberichte legen nahe, dass Frauen häufiger retuschiert werden als Männer – sei es, um Hautunreinheiten zu kaschieren oder Gesichtszüge weicher erscheinen zu lassen. Während bei Männern Falten und Augenringe oft als Ausdruck von Charakter oder Lebenserfahrung gesehen werden, gelten sie bei Frauen schnell als Makel. Dieser doppelte Standard ist nicht nur in der Presse-, sondern auch in der Werbefotografie weit verbreitet.

Retusche bei Fotos für LinkedIn oder Bewerbungen

Bei Fotos, die für berufliche Zwecke wie LinkedIn oder Bewerbungen genutzt werden, spielt Retusche eine etwas andere Rolle. Hier ist es üblich, kleinere Anpassungen vorzunehmen, um ein gepflegtes und professionelles Erscheinungsbild zu gewährleisten. Dazu gehören leichte Hautglättung, das Entfernen temporärer Unreinheiten oder das Anpassen der Belichtung. Allerdings sollte die Retusche dezent bleiben, um Authentizität und Wiedererkennbarkeit nicht zu beeinträchtigen.

Zu stark bearbeitete Bilder können unrealistisch wirken und im schlimmsten Fall Erwartungen wecken, die bei einem persönlichen Treffen nicht erfüllt werden. Gerade in beruflichen Kontexten geht es darum, eine positive, aber ehrliche Darstellung der eigenen Person zu vermitteln.

Also noch einmal: Wie viel Retusche ist sinnvoll?

Grundsätzlich sollte eine Retusche nur zur technischen Optimierung eines Bildes erfolgen, nicht zur Veränderung der Realität. In der journalistischen Fotografie gilt: Je weniger, desto besser. Korrekturen wie Belichtungsanpassungen sind legitim, aber Eingriffe in die natürliche Erscheinung von Menschen sollten vermieden werden – insbesondere um geschlechtsspezifische Verzerrungen nicht weiter zu verstärken.

Bei beruflichen Fotos für LinkedIn oder Bewerbungen kann eine dezente Retusche dabei helfen, ein professionelles Bild abzugeben. Wichtig ist jedoch, dass die Natürlichkeit erhalten bleibt, um eine realistische und glaubwürdige Darstellung sicherzustellen.

Letztendlich bleibt es an den Redaktionen, aber auch an den Fotografinnen selbst, ethische Entscheidungen zu treffen, die die Integrität der Pressefotografie wahren.


Ich frage meine Kunden und Kundinnen stets explizit, wie weit eine Retusche gehen soll. Einen Termin für Bewerbungsfotos kannst du hier vereinbaren. Näheres zur Business Fotografie findest du hier.

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